Der Regen kam zu spät für den Riesling

(c) Chris Marmann

Der Regen kam zu spät für den Riesling

Erntebilanz im Weinanbaugebiet Mosel: Kabinett-Jahrgang mit unterdurchschnittlicher Menge

Die Burgundersorten sind die Gewinner im Weinjahrgang 2022 im Weinanbaugebiet Mosel. Sie profitierten von dem heißen Sommer mehr als der Riesling. Der im September einsetzende Regen kam für die wichtigste Rebsorte an Mosel, Saar und Ruwer zu spät. Wären die Niederschläge drei oder vier Wochen vorher gekommen, hätte 2022 als herausragender Jahrgang in die Annalen eingehen können. Die Hoffnungen der Winzer auf einen überragenden Jahrgang wurden letztlich nicht erfüllt, aber 2022 wird insgesamt als gutes, zufriedenstellendes Weinjahr angesehen. Angesichts der monatelangen Trockenheit – die Mosel-Region erreichte hier im Juli den bundesweiten Negativrekord – könne man mit der Qualität und der Menge zufrieden sein, lautete das Fazit der Mosel-Weinwerbung in der Herbstpressekonferenz in Bernkastel-Kues. Die Dürre-Monate hatten schon Befürchtungen geschürt, dass es deutlich weniger Wein geben würde. „Die Qualität bewegt sich beim Riesling überwiegend im Qualitätswein- und Kabinett-Bereich und verspricht marktgerechte Weine mit moderatem Alkoholgehalt“, so die Bilanz des Moselwein e.V. Die Verbraucher dürfen vom 2022er aromatische, leichte und harmonische Weißweine sowie farbintensive Rosé- und Rotweine erwarten.

Das Weinjahr 2022 entwickelte sich völlig konträr zum Vorjahr, in dem es zu viel Niederschlag gab und vor allem die Bekämpfung von Pilzkrankheiten die Arbeit im Weinberg bestimmte. Zwar gab es auch dieses Jahr Infektionen mit Oidium und Peronospora. Aber letztlich hatten der Echte und der Falsche Mehltau spätestens mit den Hitzewellen im Juli und August keine Chance mehr, in den Weinbergen Schaden anzurichten: „Es war zu trocken und zu heiß für die Schadpilze“, stellte Henning Seibert, Vorsitzender des Moselwein e.V. in der Pressekonferenz im neuen Hotel Deinhard’s in Bernkastel fest. Positiv bewerteten die Vertreter der Mosel-Weinbranche auch, dass der Frost die Weinberge in diesem Jahr verschonte. Kleinere Schäden durch Hagel und Erosion gab es lediglich bei lokalen Gewittern mit Starkregen im Spätsommer. Die Winzer freuten sich daher über gesunde, goldgelbe Trauben, die aber vor allem beim Riesling nur wenig Most erbrachten. Die ersten Trauben wurden rekordverdächtig früh geerntet: Schon am 20. August wurden die ersten Trauben frühreifender Sorten wie Solaris für die Produktion von Federweißem eingebracht. Auch andere frühe Sorten wurden schon Ende August und Anfang September geerntet. Die Hauptlese begann um den 12. September an der Terrassenmosel, an der Mittel- und Obermosel sowie an Saar und Ruwer überwiegend eine Woche später.

Kennzeichnend für den Jahrgang ist insgesamt die hohe Varianz bei Qualität und Menge, die sich sogar bis in einzelne Weinlagen zeigte. Ähnlich wie im nassen Vorjahr, ist daher die Bandbreite bei Erträgen und Qualität wieder sehr groß. Je nach Standort, Wasserversorgung und Rebsorte gehen die Ergebnisse weit auseinander. Viele Erzeuger erreichten nicht nur bei den Burgundersorten, sondern auch beim Riesling hervorragende Mostgewichte von 90 und mehr Grad Oechsle, wenn die Bedingungen optimal waren. Rieslingtrauben in Spät- und Auslese-Qualität sowie für edelsüße Raritäten bleiben aber insgesamt eher die Ausnahme. Das Gros der Riesling-Ernte mit 70 bis 80 Grad Oechsle liegt im Bereich von Qualitäts- und Kabinettweinen. „Auch wenn es Große Gewächse und fruchtsüße Weine von Spät- bis Beerenauslese geben wird, ist 2022 insgesamt eher als Kabinett-Jahr einzustufen“, so Geschäftsführer Ansgar Schmitz. Es sei ein guter Weinjahrgang mit überwiegend gesundem Traubenmaterial. Die Mostgewichte bei den Burgundersorten lagen im Schnitt bei 85 Grad Oechsle. Gute Ergebnisse brachte die alte Sorte Elbling, die im Schnitt ein beachtliches Mostgewicht von 75 Grad Oechsle erreichte. Auch Müller-Thurgau verspricht mit im Schnitt 80 Grad Oechsle eine gute Qualität. Die Säurewerte sind bei allen Sorten niedrig.

Die Ernteschätzung des Weinbauverbandes Mosel, in der Pressekonferenz durch Präsident Walter Clüsserath und Geschäftsführer Maximilian Hendgen vertreten, wurde zum Ende der Lese nochmals nach unten korrigiert und beläuft sich auf rund 688.000 Hektoliter. Das sind sieben Prozent weniger als der zehnjährige Mittelwert von rund 740.000 Hektolitern. Mehr als 90 Prozent der Ernte machen die weißen Sorten mit rund 630.000 Hektolitern aus. Von den roten Sorten kommen 58.250 Hektoliter in die Keller. 61 Prozent der Erntemenge – 422.000 Hektoliter – entfallen nach der Schätzung auf den Riesling. Beim Müller-Thurgau werden etwa 69.000 Hektoliter erwartet, beim Elbling 48.000 und beim Weißburgunder 29.000 Hektoliter. Spätburgunder ist mit einem geschätzten Ertrag von 29.000 Hektoliter die mit Abstand wichtigste rote Rebsorte im Anbaugebiet Mosel. Der Graue Burgunder, dessen Anbau in den vergangenen Jahren an der Mosel zugenommen hat, erbringt aktuell wohl mehr als 18.000 Hektoliter Most. Insgesamt nehmen die Burgundersorten im Gebiet inzwischen rund 14 Prozent der Rebfläche ein.
Die Ertragsrebfläche der geschützten Ursprungsbezeichnung Mosel beträgt aktuell rund 8.420 Hektar. Insgesamt waren Ende 2021 im Anbaugebiet Mosel 8.661 Hektar mit Reben bestockt. Darin sind die Flächen an Saar und Ruwer sowie im saarländischen Teil der Mosel enthalten. Der Durchschnittsertrag je Hektar liegt 2022 laut Ernteschätzung bei knapp 85 Hektoliter.

Die phänologischen Daten 2022 liegen deutlich früher als im Vorjahr und weisen teilweise Parallelen zu 2018 auf. Dennoch gibt es auch deutliche Unterschiede zu den ebenfalls trockenen und heißen Jahrgängen 2018 bis 2020. Der Austrieb begann 2022 erst am 27. April und damit ein bis zwei Wochen später als in den genannten Hitze-Jahrgängen. Die Reben blühten ab dem 5. Juni und damit zwei Wochen früher als im langjährigen Mittel, aber etwas später als 2018. Der Reifebeginn um den 9. August lag deutlich vor dem langjährigen Mittel und etwa gleich wie 2018. Der Start in die Hauptlese erfolgte deutlich früher als 2021, aber etwas später als 2018.

Aufgrund der Trockenheit verlief der Jahrgang in Hinblick auf Pflanzenschutzmaßnahmen deutlich entspannter als 2021. Im Vorjahr war der richtige und rechtzeitige Pflanzenschutz entscheidend für das Ernte-Ergebnis. Viel Arbeitszeit brauchten die Winzerinnen und Winzer dagegen in diesem Jahr für die Bewässerung von neu gepflanzten Reben und jungen Weinbergen, die ansonsten vertrocknet wären. Im Juli fiel in Trier weniger als ein Liter Regen, normalerweise sind es 70 Liter. Die Temperaturen lagen um 3 Grad höher als in einem durchschnittlichen Juli. Auch im August lagen die Niederschläge im Moselgebiet um 70 bis 90 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt, bei gleichzeitig 4 bis 5 Grad höheren Temperaturen und deutlich mehr Sonnenstunden. Im Juli wurden teilweise Temperaturen von fast 40 Grad Celsius erreicht. Das Wasserdefizit summierte sich von Ende Mai bis Ende August auf rund 210 Liter in Trier und Bernkastel und 160 Liter in Winningen. Der Wassermangel machte vor allem Junganlagen und Reben auf Böden mit geringer Wasserkapazität zu schaffen. Hier fielen die Erträge auch deutlich geringer aus als üblich. Ältere Reben kamen erstaunlich gut mit der Trockenheit zurecht, da sie mit ihren viele Meter tief reichenden Wurzeln noch an Wasser gelangen konnten. So zeigten sich die meisten Weinberge Ende August noch dunkelgrün, während das Gras an den Böschungen und in den Rebzeilen verdorrt war und sich die Wälder braun färbten.

Bei der Lese war der Selektionsaufwand insgesamt deutlich geringer als 2021. Wichtig war vor allem, von Hitze und Trockenheit geschädigte Früchte auszusortieren. Die Regenfälle im September sorgten lokal für aufgeplatzte Beeren und Botrytis. Da die Nächte aber sehr kühl waren und es keinen Dauerregen, sondern immer wieder trockene und windige Perioden gab, konnten sich Fäulnispilze nicht explosionsartig verbreiten, wie es 2013 und 2014 der Fall gewesen war. Die Kirschessigfliege, die 2021 die roten Sorten heimgesucht hatte, sorgte im Herbst 2022 nicht für Probleme.

Die Mostpreise liegen aktuell beim Riesling und Weißburgunder bei einem Euro je Liter. Elbling und Müller-Thurgau sowie weitere weiße Sorten wie Kerner werden mit 90 Cent je Liter notiert. Spätburgunder wird für 1,40 Euro je Liter bezogen.

Der Absatz von Moselweinen entwickelte sich im laufenden Jahr im In- und Ausland sehr unterschiedlich. Während sich in Deutschland angesichts steigender Energiepreise und hoher Inflation bereits eine Konsumzurückhaltung im Lebensmitteleinzelhandel bemerkbar machte, gingen die Zahlen im Export im laufenden Jahr weiterhin nach oben, wenn auch nicht mehr so stark wie 2021. Im vergangenen Jahr hatte die Ausfuhr von Moselwein um 36 Prozent in der Menge und um 27,5 Prozent im Wert zugelegt. Im ersten Quartal 2022 verzeichnete der Export von Moselwein laut Verband Deutscher Weinexporteure ein Plus von 22,3 Prozent im Wert und 12,2 Prozent in der Menge.
Den Weinbaubetrieben und den Vermarktern bereiten der Krieg in Osteuropa sowie die massiven Kostensteigerungen bei Energie, Treibstoff, Flaschen, Kartonagen und Logistik Sorgen. Preisanhebungen wären angesichts dieser Entwicklung geboten. Ukraine und Russland zählen zwar nicht zu den wichtigsten Exportmärkten für Moselwein, beide Länder verzeichneten aber wie auch die anderen osteuropäischen Staaten in den vergangenen Jahren hohe prozentuelle Zuwächse. Die weitreichenden Folgen des Krieges könnten wie schon im Inland auch in anderen Ländern zu einer Konsumzurückhaltung und damit einem Rückgang der Weinexporte beitragen, so die Befürchtung in der Weinbranche.



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