Gemeinsam für die Ahr!

Gemeinsam für die Ahr!

In den von der Flutkatastrophe betroffenen Gemeinden entlang der Ahr sind die Aufräumarbeiten noch immer in vollem Gange, ein Ende ist nicht in Sicht. Mit der Zeit wird auch in den Weingütern entlang des Flusses das enorme Ausmaß der Zerstörung an Betriebsinfrastrukturen, Gerätschaften, Rebflächen und Weinbeständen immer deutlicher. Viele Erzeuger stehen sprichwörtlich vor dem Nichts, infolge der erlittenen Schäden waren und sind sie selbst nicht mehr handlungsfähig.

Doch Not schweißt bekanntlich zusammen und so hat eine beeindruckende Welle der Hilfe und Solidarität bundesweit die gesamte Weinbranche erfasst. Bereits in den ersten Tagen nach der Flutkatastrophe fuhren spontan etliche Winzer mit Gummistiefeln, Schaufeln, Pumpen, Stromaggregaten und Akkustrahlern zu ihren Freunden und Kollegen an die Ahr, um bei den Aufräumarbeiten mitzumachen. In ungeahnter Einigkeit wird seitdem darum gekämpft, ein komplettes Weinanbaugebiet zu erhalten und wiederaufzubauen. Schnell war klar, dass dafür vor allem umfangreiche finanzielle Mittel vonnöten sein werden.

Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau rief gemeinsam mit dem Deutschen Weinbauverband zu Spenden an den Bäuerlichen Hilfsfonds auf, unter dem Stichwort „Starkregenkatastrophe“ kann weiterhin gespendet werden. Auch andere Branchenverbände und Vereine bieten Spendenmöglichkeiten an wie beispielsweise der VDP unter dem Motto „Der Adler hilft“, die Schorlemer Stiftung des Deutschen Bauernverbandes, die Raiffeisen-Stiftung sowie die VEG Geisenheim. Die gesammelten Gelder kommen Landwirten und natürlich vor allem den Erzeugern an Ahr, unabhängig von Mitgliedschaften in genannten Verbänden und Vereinen, bedarfsgerecht zugute.

Unter dem Titel „Solida(h)rität“ rief Dirk Würtz vom Weingut St. Antony in Nierstein spontan über die sozialen Medien Weinerzeuger auf, Weine für eine wohltätige Paketaktion zur Verfügung zu stellen. Die Reaktion war überwältigend. In sämtlichen Anbaugebieten und sogar über die Bundesgrenzen hinaus bis nach Griechenland und Südafrika wurden in Regionaldepots gespendete Flaschen gesammelt und anschließend palettenweise nach Nierstein verschickt. Speditionen und private Winzer übernahmen vielfach kostenlos den Transport. DWI, Moselwein e.V., Brohl Wellpappe und Moselglas stellten Versandkartonagen zur Verfügung, um nur einige Beispiele zu nennen. Es kamen auch freiwillige Helfer, unter anderem vom DWI, nach Nierstein, um die Weine zu kategorisieren und die Pakete zu packen. Nach 10.000 verkauften Paketen innerhalb weniger Tage musste der Verkauf zwischenzeitlich unterbrochen werden, um in ein größeres Logistikzentrum umzuziehen. Inzwischen ist die Aktion wieder angelaufen, über 20.000 Pakete sind inzwischen verkauft. Erhältlich sind sie für 65€ im Online-Shop des Weinguts St. Antony. Der gesamte Erlös kommt über das Spendenkonto des VDP den betroffenen Winzern der Ahr zugute.

Daneben haben auch zahlreiche andere Weingüter, Genossenschaften, Kellereien und sonstige Initiativen Benefiz-Weine und Spendenaktionen gestartet, darunter Rotkäppchen-Mumm, die WZG Dagernova zusammen mit der Kellerei Peter Mertes oder das Weingut von Othegraven an der Saar. Und auch die Ahrwinzer selbst wurden aktiv: über den gemeinnützigen Verein „Ahr – A wineregion needs Help for Rebuilding e.V.“ wurde eine Crowdfunding-Kampagne namens „Flutwein“ gestartet. Dabei wurden Weinflaschen, die das Hochwasser überstanden hatten, gegen Spenden ausgegeben und so über 3 Mio. Euro erlöst.

Doch nicht nur mit Spenden und Verkaufsaktionen wurde und wird versucht dem Weinbau an der Ahr zu helfen. Zahlreiche Winzer/-innen aus dem benachbarten Moseltal, aus Luxemburg und vom Mittelrhein, aber auch aus allen anderen Anbaugebieten sind vielfach dem Hilferuf ihrer Kollegen gefolgt und – teils sogar mit ihren Maschinen – an die Ahr geströmt, um die dringend notwendigen Laubarbeiten in den weitgehend unversehrt gebliebenen Steillagen zu übernehmen. Auch von Seiten der Landjugend und von Ehemaligenverbänden kam tatkräftige Unterstützung. Um die Hilfewilligen in Empfang zu nehmen, zu den Weinbergen zu leiten und die Arbeitsaufgaben zu verteilen wurden eine zentrale Koordinationsstelle gebildet und Obmänner aus den Gemeinden der Ahr berufen. So konnten mit geballter (Wo)Manpower innerhalb kurzer Zeit ganze Gemarkungen gegipfelt und entblättert werden.

Doch nicht nur Laubarbeiten galt es zu erledigen, auch der Schutz vor Falschem und Echtem Mehltau duldete keinen Aufschub. Um die dringend notwendigen Pflanzenschutzarbeiten in den Weinbergen sicherzustellen und so zumindest die diesjährige Traubenernte zu schützen, konnte der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau e.V. in Zusammenarbeit mit der Landesregierung, der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) und der Wiederaufbaukasse Rheinland-Pfalz umgehend gemeinsam mit der Mittelrheinischen Rebschutz GmbH und der Raiffeisen Rhein-Ahr-Eifel Handelsgesellschaft mbH eine umfassende Hubschrauberspritzung an der Ahr organisieren. SO wurde zumindest die diesjährige Traubenernte geschützt und dadurch eine Grundlage für den wirtschaftlichen Wiederaufbau geschaffen. Zudem wurde vom Verband ein Appell an die chemische Industrie gerichtet, sich durch Pflanzenschutzmittel-Spenden an der Rettung des Ahrweinbaus zu beteiligen. Mit Corteva und Syngenta sind zwei Hersteller kurzerhand diesem Aufruf gefolgt und auch Bayer hat Hilfe zugesagt.

Bei den Aufräumarbeiten in den gefluteten Weingütern wurde ebenfalls fleißig mit angepackt. Zahlreiche Helfer und viele Berufskollegen von landwirtschaftlichen Betrieben aus benachbarten Dörfern und der Region pumpten Keller leer und befreiten sie vom Schlamm, reinigten verdreckte Flaschen und sortierten sie in teils mitgebrachte Gitterboxen. Um die Versorgung der Anwohner und Helfer vor Ort zu verbessern, betreibt der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau in Walporzheim einen Imbisswagen für Anwohner und Hilfskräfte.

Zusammengenommen konnte so innerhalb kurzer Zeit Arbeit geleistet werden, die von den betroffenen Erzeugern vor Ort alleine unmöglich zu bewältigen gewesen wäre. Doch die nächste Herausforderung kündigt sich in Form der bevorstehenden Weinlese bereits an und bereitet den Winzern große Sorgen. „Katastrophal, aber nicht aussichtslos“, so fasste Peter Kriechel, Winzer an der Ahr, die Situation im Deutschlandfunk zusammen. Viele Kollegen hätten sprichwörtlich alles verloren, und die Zeit laufe gegen sie, der nächste Herbst stehe bevor.

Die Planungen und Vorarbeiten dazu sind bereits angelaufen. Mitarbeiter des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, des DLR Mosel und der Landwirtschaftskammer waren in den vergangenen Wochen bei den Weingütern vor Ort, um sich mit den Winzern über die anstehende Lese auszutauschen und sich ein Bild zu machen, was an Gebäuden, Maschinen und Material noch vorhanden ist und bis zum Lesebeginn funktionsfähig gemacht werden kann. Mehrere Firmen der Zulieferindustrie waren ebenfalls bereits im Ahrtal unterwegs, um Gerätschaften zu warten, zu reparieren oder ersatzweise Leihgeräte zur Verfügung zu stellen. Es ist zu hoffen, dass noch weitere Firmen hier Verantwortung übernehmen und sowohl mit Technik als auch mit Know-how zur Lesevorbereitung beitragen werden. Was dann noch fehlt, muss auf anderen Kanälen bereitgestellt, herbeigeschafft oder organisiert werden. Auch wenn jeder Betrieb in der Lese seine Arbeitskräfte und Gerätschaften selbst benötigt, ist hier die Branche gefragt, um die Kollegen der Ahr nicht im Stich zu lassen. Lösungen müssen auch für die Unterbringung von Erntehelfern gefunden werden, da viele Unterkünfte vor Ort nicht mehr bewohnbar sind.

Um Hilfesuchende und Hilfsangebote bedarfsgerecht zusammenzuführen, hat der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau eine zentrale Koordinationsstelle unter der Hotline 0261/9885-1234 eingerichtet. Zahlreiche Hilfsangebote wurden bereits erfasst und an die Ahrwinzer übermittelt. Zudem hat sich der Verband dafür stark gemacht, Betroffenen und Helfern in rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Fragen schnelle und unbürokratische Lösungen zu bieten. Sämtliche Informationen zu diesen Themen können auf der Homepage des Verbandes unter der Rubrik „Fluthilfe“ aufgerufen werden.

Es gilt, als Berufsstand ein Zeichen zu setzen und die Ernte des Jahrgang 2021 an der Ahr mit vereinten Kräften möglich zu machen. Eine erfolgreiche Lese würde den Erzeugern vor Ort nicht nur Mut für den Neuanfang machen, sondern auch einen Teil der dafür dringend benötigten Finanzmittel liefern. So könnte der Jahrgang 2021 in Zukunft nicht nur sinnbildlich für eine der größten Katastrophen des deutschen Weinbaus stehen, sondern zugleich als Sternstunde des Zusammenhalts innerhalb der Weinbranche in Erinnerung bleiben. Es geht um nicht weniger als die Zukunft eines der 13 deutschen Anbaugebiete.



Faszination Mosel